Grenzgänger IRONMAN

Ironman – Déjà-vu – Der Cowndown läuft

Es ist August 2022

Vor 3 Jahren, am 4. August 2019, tat ich das für mich Unmögliche und überlebte einen IRONMAN.

Das ist die Königsdisziplin im Triathlon.

3,8 km Schwimmen

180 km Rad

42,2 km Marathon Lauf

…alles in einem Ritt.

Ich habe heute in meine Aufzeichnungen von damals geschaut, da steht…

„Paul sagte, meine Vorbereitungen wären überschaubar. Claudi hat Angst um mich. Anja meinte, ich spinne doch, ohne Neopren in der Ostsee verliere ich zu schnell viel zu viel Energie. Warum muss es dann noch unbedingt ein Barfuß-Marathon am Ende sein?“

Ja, meine Vorbereitungen waren nicht der Renner. Ein Halbmarathon, 2,2 km Schwimmen, und eine 160 km Radtour waren das Maximalste, was ich einzeln trainiert hatte. Das musste neben Job und Haus und Kind reichen.

Und JA, ich mag es ursprünglich. Da reicht auch die gute alte Handballhose fürs Brust-Schwimmen, mein 12 Jahre alter Radhirsch und die Barfuß-Huarachis (aus dem Buch „Born to Run“. Augenöffnend!!! Absolute Buchempfehlung!!!)

Der Tag der Tage.

Es ist 5 min vor dem Schwimmstart. Ich stehe als Einziger oben ohne in einem Meer von 1200 Fischhäuten (Neoprenlern) und friere, weil ich unbedingt 20min vorher nochmal ins Wasser wollte – reinspüren in das Element. Klassische Musik wird abgespielt, was diesen magischen Moment zum Pulsieren bringt. Jetzt gibts kein Zurück. Ein Blick nach rechts und ich sehe meine Lieben im Zuschauermeer, laufe zu ihnen und verabschiede mich mit einem letzten Schmatzer und ging wieder in die Fischhautmasse.

7:00Uhr Countdown von 10 runter!

Der Moment meiner Veränderung beginnt.

Der Rundkurs in der Ostsee ist ein Schwimmen in einer Quallensuppe. Platznot zwingt mich, die Bojen außen zu nehmen. Alle kraulen und sind mega schnell. Und ich mit meiner Brustschwimm-Aktion. Und ständig und überall Quallen. Die 2 Runden ziehen sich gewaltig. Aber ich nutze die Froschbewegung der Beine mit 2 anschließenden DelphinDips, was mir mehr Vorschub bringt. Die Technik hatte ich mir zufällig mal beigebracht. Fand aber später heraus, dass das wohl schon öfter gemacht wird von den Profis. Am Ende der 3,8 km stehen 1 h 30 min auf der Uhr und ich bin mega glücklich, den Strand zu erreichen.

Die Radstrecke wird unendlich lang. 6 Runden à 30 km. Erste Runde zum Eingewöhnen – locker flockig. Runde 2 mit Schmackes in den Beinen. Runde 3 – ich mache Halt an der Station für Selbstverpfleger – bin ja der einzige Idiot, der unbedingt seinen veganen Powerbrei mitbringen muss.

Runde 4 und 5 sind geprägt von Kopfkino. Wo bin ich? Wie weit ist diese verdammte Runde denn noch? Bin froh über jede Talfahrt und habe deutlichst blanke Angst vor dem Marathon. In Runde 6 mache ich Halt an einer Bushaltestelle – die SchultersitzMonster haben gewonnen. Ständig säuseln sie in beide Ohren, wie anstrengend es doch ist und wie gut doch eine Pause wäre und überhaupt muss diese Anstrengung doch gar nicht sein – wem muss ich denn was beweisen? Diese Stimmen haben mich verfolgt. Sie wurden immer lauter. Sie machen einen fertig.

Ich verweile. Antriebslos vergehen 5 min – ich kehre in mich – finde irgendwann mein WARUM wieder und beende die 6. Runde nach 180 km mit 6 h 39 min und einem jubelndem Freudeschrei zu meiner Göttergattin.

Im Wechselgarten komme ich kaum vom Rad. Beine wie Bleiklumpen. Und ich weiß, jetzt kommt noch ein Marathon in Huarachis. Das sind die 4 mm Sohlen, die mit einem einzigen Schnürsenkel an den Fuß gebunden sind. Ich bin noch nie diese Strecke gelaufen. Über 42 km. Ich bin sooo dämlich!

Die erste von 5 Runden läuft eigenartig gut – durchweg gelaufen. Die zweite eine riesen Katastrophe – ich gehe Großteils. Schleppe mich von einer Verpflegungsstation zur nächsten – Krämpfe in Wade und Schienbein!!! Ja, im Schienbein kann man einen Krampf haben!!! Nahrungsaufnahme scheint mir auf einmal sehr wichtig. Nach 2 Runden sehe ich meine Familie immer noch nicht. Das zehrt krass an meiner mentalen Kraft und meine Hoffnung schwindet auf einen winzigen Krümel, dass ich das Ding tatsächlich mit funktionstüchtigem Stoffwechsel packe.

Runde 3 ist fast beendet. Da sind sie. Endlich. Ich halte an, überglücklich endlich meine Lieben zu sehen, und doch so verzweifelt, weil ich komplett K.O. bin. Ich knie nieder und weine. Das Ende?

Claudi sagt leise und bestimmt: „Du schaffst das.“ Ich nehme es unbewusst wahr. Ich laufe wieder – ohne zu wissen, wie weit ich kommen werde.

Runde 4 mit Krämpfen und Entzugserscheinungen wie auch immer geschafft. 4 orangene Armbänder – eins für jede geschaffte Runde – schmücken meine Handgelenke und geben tatsächlich Kraft für den Endgegner: „letzte Runde – die letzten 8 km“.

Sie ist deprimierend, niederschmetternd, die Beine sind FEST, der restliche Körper SCHLAPP. Ich bin eine ausgelaugte Hülle Mensch. Schwindel setzt ein – auf den letzten 3 km. Ich taumele an der letzten Station vorbei, die noch nicht abgebaut wurde – da stehen noch 2 Engel mit Wassermelonen – wenn das ne Fata Morgana ist, dann ne richtig gute. Fülle einen Becher mit zuckersüßen Melonenstückchen und laufe in der Dämmerung 21:30Uhr Richtung der Geräusche. Noch nie in meinem Leben war ich so glücklich, den frischen Geschmack von Melone im Mund zu schmecken.

Ich höre das Ziel. Menschen feiern. Noch 1,5km.

Da sehe ich trübe meine liebe Frau mit Töchterlein mir entgegenkommen.

Zusammen die letzten Meter Richtung Ziel. Muss ein Traum sein. So hab ich es mir immer vorgestellt.

Aller gedanklicher Ballast ist weg. Die Freude steigt in mir hoch. Marathon beendet mit 6h 15min und einer Gesamtzeit von 14h 53min 6sec.

Wir laufen als Familie Hand in Hand auf dem roten Ziel-Teppich ein. Es ist wirklich ein Traum.

Nie wieder vergesse ich DIESEN Moment.

Ich bekomme eine persönliche La-Ola-Welle und der Sieger des Tages überreicht mir meine Medaille.

Ich durchlief Momente des Widerstands gegen die klaren Äußerungen meines Körpers, der nichts mehr zu geben hatte. Ich wurde von gefühlt jedem überholt. Die Helfer packten bereits ein. Mein Kopf spielte mir tausend Streiche und versuchte mich bis zum Aufgeben zu zermürben.

Und dennoch war es am Ende EIN Ziel, was mich auf Kurs hielt.

Es war der besondere Moment, mein Versprechen einzulösen: mit meiner Tochter über den roten Teppich durch den Zielbogen zu laufen. Ein Versprechen und ein Traum werden Wirklichkeit – geschafft durch kindliche Sturheit, Vorstellungskraft, Intuition und Liebe zu meinen beiden Mädels.

3 Jahre sind nun vergangen. Neue Erfahrungen in anderen Bereichen meines Lebens sorgen nun dafür, dass ich wieder ein Ziel suche, was ich körperlich und mental erreichen möchte. Rauskommen, ins TUN kommen, mich endlich wieder spüren.

Und so säte ich selbst in mir den Gedanken eines IRONMAN 2.0.

Ich möchte meinem Sohn, der nächstes Jahr 3 wird, auch die Chance geben, diesen magischen Moment zu erleben, mit seinem Vater und seiner großen Schwester an der Hand durch das Zuschauermeer zu laufen und diese unbeschreibliche Energie zu spüren.

Es wird der 6. August 2023 in Glücksburg sein, an dem ich mich neu kennenlerne und ein neues altes Ziel erreichen werde. Ich weiß, was vor mir liegt, das macht es nun noch schwerer.

Besonders wird dieses Ereignis nun, weil sich mein Herzensfreund Paul vor ein paar Tagen bei mir meldete mit den überraschenden Worten:

„Ich mach mit. Wir machen das zusammen – den Ostseeman …….[kurze Pause]……. Das ist die schlimmste Idee, die ich je hatte, von allen Ideen, die ich je hatte.“ 🙂

Danke Paul!

Ich bin ab heute, 16.08.2022 offiziell angemeldet und bereit für 1 Jahr Training, Erfahrungen und mein neues Ziel.

UND ich freue mich, dass ich nun einen Menschen inspirieren konnte, sich ein scheinbar unerreichbares Ziel zu setzen, um am Ende zu spüren, dass der Körper lebt und scheinbar Unmögliches Wirklichkeit wird, weil „man“ es einfach macht.

Seid alle herzlichst gegrüßt, ihr Spurensucher, Weltveränderer und ErfahrungsMACHER.

P.S. Luschert auch gern in meine anderen Projekte oben im Menü 🙂

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